Vor fast genau einem Jahr fragte ich einen Freund von mir, was er nächsten Sommer so vorhat. Der Freund, Tobias, ein Südtiroler Winzersohn, und ich, Tom, Sohn einer Allgäuer Hoteliers Familie, überlegten eine Weile. Nach einer kurzen Zeit stillen Überlegens erzählte mir Tobias von seinem Traum einer Alpenüberquerung.
Die Idee löste bei mir sofort Begeisterung aus und wenige Wochen später begannen wir, die Pläne zu konkretisieren. Von meinem Zuhause, dem Vitalhotel „Die Mittelburg“ in Oy-Mittelberg soll es über den Alpenhauptkamm bis zum höchsten Gipfel des Monte Baldo am Gardasee gehen. Die bekannten Routen wollen wir meiden und wenn möglich immer unter freiem Himmel schlafen. Gesagt getan. Der Winter verging wie im Zeitraffer und Anfang Juli war es dann soweit. Nach einer letzten entspannten in den weichen Betten der Mittelburg genießen wir unser letztes „Luxusfrühstück“ für die nächsten 21 Tage. Birchermüsli, Obstsalat und knusprig gebratene Spiegeleier müssen es schon noch einmal sein, vor den Strapazen die vor uns stehen. Wir sitzen auf der Hotelterrasse und blickten in die Allgäuer Berge, die Anfangsetappe unserer Reise.
Dann ist es soweit. Am Fuße des Grüntens schnallen wir uns unsere Rücksäcke auf und machen uns auf den Weg zum Gipfel. Diese kurze Etappe am Anfang nutzen wir um unsere Ausrüstung ein letztes Mal zu kontrollieren und die erste Nacht unter freiem Himmel zu verbringen. Der Grünten als einer der nördlichsten Gipfel der Alpen bietet einen grandiosen Blick in die Allgäuer Hochalpen im Süden und das Alpenvorland im Norden.
Blick vom Grünten in Richtung Oy-Mittelberg mit dem Rottachsee links und dem Grüntensee rechts.
Nach einer ruhigen und angenehmen ersten Nacht geht es schon wieder zurück ins Tal nach Sonthofen und weiter zum Sonnenkopf. Hier macht uns das Bergwetter einen Strich durch die Rechnung und mehrere kräftige Regenschauer zeigten uns, was ein Leben in der Natur bedeuten kann. Nach einer kalten Nacht wecken uns am nächsten Morgen wärmende Sonnenstrahlen und die am Abend zuvor aufgekommene Frustration war wie weggefegt. Das in der Nacht Deutschland gegen Italien gewonnen hatte, erfahren wir von ein paar Wanderern. Tobias, beim Fußball dann doch mehr Italiener als Südtiroler war weniger begeistert von dieser Nachricht. Schnell sind wir über den Sonnenkopf aufgestiegen und erreichen den Anfang der Allgäuer Hochalpen. Am Abend sind wir am Ziel des Tages, dem Oberen Gaisalpsee, und schlafen sofort ein. Der auf viertel vor 6 gestellte Wecker wird von mir, wie schon an den Tagen zuvor, ignoriert. Nach einer kurzen „Katzenwäsche“ im eiskalten See ist die Müdigkeit verschwunden und wir starten zu unserem 22 Kilometer entfernten Tagesziel. Über die Nebelhorn Bergstation, den Seealpsee, das Laufbacher Eck und den Himmelecksattel (der Berg wurde anscheinend nach einer unserer Suiten benannt) zur Wildenfeldhütte. Nach einem imposanten Sonnenuntergang und einer geruhsamen Nacht unter sternenklarem Himmel geht es weiter über den Eissee, das Raueck und entlang der deutsch-österreichischen Grenze bis an die Kemptner Hütte.
Letzter Blick ins Allgäu auf das Nebelhorn
Am nächsten Tag verlassen wir das Allgäu endgültig und erreichen über eine menschenleere Variante des E5 Holzgau und danach das Sulztal. Das Gewicht der Rucksäcke und die langen Märsche machten sich langsam bemerkbar, Blasen an den Füßen hatten wir allerdings noch keine einzige. Der 7. Tag beginnt mit einem einstündigen Aufstieg auf die Frederick-Simms-Hütte und endet in Flirsch am Arlberg. Als wir im Tal ankommen ist es bereits dunkel und wir schlafen auf dem begrünten Dach des Flirscher Tunnels. Wer richtig müde ist, schläft überall ein. Am nächsten Tag soll es nach See im Paznaun gehen, auf unserer Karte sind allerdings Wege verzeichnet, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Nachdem unser „Weg“ im Nichts endet kämpfen wir uns mehrere Stunden durch steiles bewaldetes Gelände über Gebirgsbäche und durch ein Stier Alm. Kurz vor Ladenschluss erreichen wir See und können dort unsere Vorräte wieder auffüllen. Am 9. Tag geht es über das Masnerjoch hinunter nach Pfunds. Auf dem Weg ins Tal verliere ich einen meiner Bergschuhe, die ich zum Trocknen an meinen Rucksack gehängt habe. Den Rest der Reise muss ich wohl oder übel mit meinen Trekking Schuhen bestreiten. Die nächsten Tage verlaufen weitgehend problemlos. Wir überqueren die Grenze nach Italien und laufen, vorbei am Reschensee bis nach Sulden. Dort überrascht uns ein sommerlicher Wintereinbruch und wir legen eine willkommene Zwangspause von 2 Tagen ein. 15-20 Zentimeter Schnee Mitte Juli sind eine Überraschung für uns aber auf dieser Höhe keine ausgesprochene Seltenheit. Dann geht es weiter, vorbei am Ortler und der Zufallspitze bis an die Grenze zum Trentino, wo wir auf 2200 Metern Höhe übernachten.
Gletscher im Ortlergebiet
Trotz improvisierter Wärmflasche ist es auf gut allgäuerisch Saukalt und wir schlafen kaum. Doch schon am nächsten Tag befinden wir uns in wärmeren Gefilden und der Gardasee nähert sich mit jedem Schritt. Wir passieren Madonna di Campiglio, schlafen in Pellizzano am Fuße einer Skisprungschanze und erreichen am 18. Tag den Gardasee. Es ist fast geschafft. Für den letzten Teil brauchen wir noch 2 Tage und stehen schließlich an Tag zwanzig auf dem Cima Valdritta, dem mit 2218 Metern höchsten Gipfel des Monte Baldo. Für ein Gipfelfoto in aufrechter Position bin ich nicht mehr zu gebrauchen. Voller Freude und Stolz über die erbrachte Leistung geht es zurück ins Tal an den See wo die erste heiße Dusche seit fast drei Wochen und ein weiches Bett warten. Diese Tour, die uns von den Allgäuer Alpen bis nach Italien geführt hat, war ein einmaliges und wunderschönes Erlebnis. Einmal mehr wurde mir die Einzigartigkeit der Allgäuer Bergwelt innerhalb der Alpen vor Augen geführt und das Glück, dass es bedeutet, hier leben zu dürfen.
Das Ziel ist in Sicht
Das Allgäu mit mehr Komfort und Entspannung genießen am Startpunkt dieser Reise im Vitalhotel Die Mittelburg.